Faire Früchte von Mozambique nach Bern

Mozambique (jl)

Mit Obst Welten verbinden, die sich sonst kaum berühren: Diese Brücke schlägt das Projekt «we are Nyanja» mit dem Export getrockneter Mangos aus dem Norden Mosambiks zu uns in die Schweiz. Dahinter steht der Berner Jonathan Litscher, der das Unternehmen Global Farmers Market aufgebaut hat.

Sie gilt als Königin der Früchte, schmeckt lecker und ist reich an Vitaminen. Mangos wird nachgesagt, stimmungsaufhellend und entzündungshemmend zu wirken, die Verdauung zu unterstützen und Erkältungen vorzubeugen. Getrocknete Mangos enthalten zwar viel Fruchtzucker, aber auch dementsprechend viele gesundheitsfördernde Nährstoffe in konzentrierter Form. Bei den Mangos von «Global Farmers Market» ist darüber hinaus genaustens bekannt, woher sie kommen: aus dem Norden Mosambiks, einem Land, das in Südostafrika liegt und zu den ärmsten weltweit gehört.

Massenweise verfaulte Mangos

So wunderschön die Landschaften in der entlegenen Region am Malawisee, so einfach sind die Lebensbedingungen. Die Menschen leben als Selbstversorger hauptsächlich von Mais und Süsskartoffeln sowie von Obst und ein wenig Fisch. Die Natur ist hier besonders üppig, unzählige Mangobäume und Bananenstauden säumen die Gegend. Dennoch hatten die Kleinbauern lange nichts von ihrer Ernte, da sie diese nicht verkaufen konnten. Zu abgelegen sind die kleinen Dörfer, zu klein der lokale Markt. Als Jonathan Litscher im 2013 die unzähligen Mangos sah, die an Ort und Stelle verrotteten, sagte er sich: «Es muss doch möglich sein, dieses Potenzial zu nutzen und den lokalen Bauern zu Einnahmen zu verhelfen.»

Heute, vier Jahre später, werden in der Erntezeit im Norden Mosambiks täglich bis zu drei Tonnen Mangos verarbeitet. Um das Obst haltbar zu machen, wird es vor Ort getrocknet, und danach mit dem Schiff in rund drei Monaten nach Europa exportiert. Derzeit werden die Dörrfrüchte in Bioläden in der Schweiz verkauft und können auch im Online-Shop bestellt werden auf www.globalfarmersmarket.ch. Die Nachfrage und Anzahl der Verkaufsstandorte wächst stetig. Und auch das Sortiment: seit letztem Jahr gehören auch getrocknete Bananen dazu. Dieses Jahr hat die Firma sogar alle 250 Kleinbauern, die sie beliefern, bio-zertifiziert.

Ein Stein kommt ins Rollen

Der Bezug zum Land entstand vor knapp zehn Jahren, als Jonathan Litscher zum ersten Mal die Gegend am Ostufer des Malawisees bereiste. Die Reise vor drei Jahren unterschied sich von seinen vorherigen: Er kam nicht als Gast, sondern als Unternehmer. «Schon immer interessierten mich Projekte mit einem sozialen Hintergrund», erklärt der 32-Jährige, weshalb er damals seine Stelle als Banker in London kündigte und nach Afrika flog mit der Absicht, dort «etwas Nachhaltiges» aufzubauen.

Mit einem Team von lokalen Arbeitern errichtete er in der Folge eine Trocknungsanlage, die aus gebrannten Ziegeln und lokalem Holz bestand. Nach ersten Erfolgen wuchs das Projekt Schritt für Schritt. Mit den Einnahmen und dank Spenden aus dem privaten Umfeld Jonathan Litschers entstand im kleinen Dorf Nkholongue eine professionelle Anlage, in der heute 60 Angestellte Mangos und Bananen verarbeiten. Reich sind die Menschen auch jetzt nicht, aber der Unterschied ist dennoch frappant. Plötzlich fliesst Geld in ein Gebiet, wo die Wertschöpfung vorher bei nahezu Null lag. «Mit den Einnahmen können sie sich jetzt beispielsweise den Überlandbus leisten, um in die nächstgelegene Stadt zu fahren. Oder ein paar wärmere Kleider für die kalten Winternächte. Oder endlich ihre Hütte reparieren, sodass es nicht mehr hineinregnet. Die Wirkung reicht jedoch noch viel weiter: Da nun Geld vorhanden ist, können die Dorfbewohner jetzt auch untereinander vermehrt Handel betreiben.

Gesichter hinter Produkt sichtbar

Jonathan Litscher ist es wichtig, dass das Projekt nicht nur faire Löhne generiert und in Zukunft selbsttragend ist, sondern auch langfristig verankert. Darüber hinaus steht «Global Farmers Market » für Lebensmittelhandel, der Menschen verbindet: «Als wir eines Morgens Mangos einkauften, plauderte ich mit den Leuten, die uns in Kübeln und Säcken ihre Früchte brachten. Dabei wurde mir bewusst, wie speziell dieser persönliche Bezug ist», erzählt Jonathan Litscher, der sich mit den Einheimischen auf Portugiesisch unterhält. Die Sprache hat er sich in den vergangenen Jahren im Selbststudium beigebracht. «Die Mangos schlagen eine Brücke zwischen Menschen eines afrikanischen Dorfes und einer europäischen Stadt, die sich beide die Welt des anderen kaum vorstellen können.» So entstand die Idee, die Packungen jeweils mit einem Foto und einer Anekdote aus dem Leben eines Mango-Lieferanten zu versehen.

Der Austausch soll nicht einseitig sein. Auf der Website von «We are Nyanja» können die Konsumenten ihrerseits ein Foto mit einem kleinen Einblick aus ihrem Leben hochladen. Diese Impressionen druckt Jonathan Litscher aus und übergibt sie dann persönlich. «In unserer vom Konsum dominierten Gesellschaft eine menschliche Komponente herzustellen, ist mein Leitmotiv», betont Litscher, der mehrmals pro Jahr zwischen seiner Wohnung in Bern und dem schwarzen Kontinent pendelt. Sein Umfeld habe ihn von Beginn an unterstützt, betont der Unternehmer, der zwei Abschlüsse in Philosophie und Betriebswirtschaft hat. Es gab aber nicht wenige, die sein Vorhaben zu Beginn als «verrückt» bezeichnet hatten. Mittlerweile gehen die Rückmeldungen in eine ganz andere Richtung. «Zu wissen, woher genau ein Produkt kommt und was mit den Einnahmen geschieht, ist hier vielen ein grosses Bedürfnis», so seine Erfahrung.

Text: B. Zanni, Interview von 2015, veröffentlicht 14. Februar 2016 im 20 Minuten