Jobtausch. Eine Luzerner Investmentbankerin in Tanzania

Fabia Bausch hat ihr Leben reicher gemacht, um unbekannte Erfahrungen ergänzt. Die 42-jährige Investmentbankerin aus Meggen hatte sich nach zwölf Jahren entschlossen, dem Finanzsektor Adieu zu sagen.

Tanzania (Alexander Wischnewski)

Im Jahr 2005: Ihr Horizont erschien ihr plötzlich beklemmend eng. Eine Perspektive, ihn auszuweiten, fand sie nicht. Geld als Massstab allen Tuns war für Fabia nicht mehr der alleinige Sinn des Lebens, des Arbeitslebens. Wie es weitergehen würde, war ihr noch völlig unklar. Lebenserfahrung hatte sie, Selbstvertrauen, und von dem Guthaben auf ihrem Konto könnte sie drei Jahre lang leben. Sie traf Nicolas Negre, einen französischen Grosswildjäger und Fotografen auf den Bahamas. Er war von der Idee beflügelt in Ostafrika eine Safari-Lodge zu eröffnen. Später in Zürich tauschten sie weiter Träume, Visionen und Ideen aus.In einer jener Nächte strahlte der sternenklare Himmel über Zürich und Fabia beschloss, Nicolas in Ostafrika zu besuchen, um herauszufinden, ob sie in Tansania leben und sich entfalten könnte. Sie durchquerten das Land von Nord nach Süd. Wie Nicolas mit den Einheimischen umging, wie er sich offensichtlich wohl fühlte, überzeugte Fabia, dass dieses Land auch für sie eine Heimat sein könnte. Sie teilten die Begeisterung für Afrika, ein Leben in und mit der Natur. Das in der Regenzeit explodierende Grün und das stets Undurchdringliche des Dschungels faszinierte mit seiner ganz eigenen Vielfalt auch Fabia. Es dauerte mehr als zwei Jahre, ehe alle Konzessionen und die Finanzierung gesichert waren.

In jedem Stein, jedem Holzbalken, jedem Baum und jedem Lichtstrahl, die den Zauber der Lodge ausmachen, steckt die Seele von Fabia und Nicolas. Sie haben die Messlatte sehr hoch gelegt. Mittelmass kommt für sie nicht infrage. Das ist der Preis, den sie zu zahlen bereit sind. Natürlich fragen sie sich immer noch hin und wieder, ob sie nicht doch zu naiv sind. Aber wenn sie diesem Kontrollimpuls nicht immer wieder folgen würden, wären sie nie so weit gekommen. Für Fabia ist es keine Abkehr von ihrer Heimat Schweiz. Eher eine Distanz, die sie für sich geschaffen hat, und die so weit reicht, dass da ein ganzer Kontinent hineinpasst. Als Umsteigerin sieht sie sich, nicht als Aussteigerin.

Hinterm Horizont geht es weiter

In Tansania, zwischen Tarangire-Nationalpark und dem Manyara-See fanden Fabia und Nicolas ihr Arkadien. Viertausend Hektar eigenes Buschland als Standort für ihre Lodge. Umgeben von Pflanzen und Tieren, immer noch weitestgehend ungestört, weil von den Menschen als Lebensgefährten respektiert. Fabia und Nicolas teilen ihr Habitat mit mehr als 400 Vogelarten: Störche, Pelikane und die eleganten Flamingos. Mit Legionen von respektlosen Pavianen und anderen Affen, seltenen Löwen, die sich in den Kronen der Affenbrotbäume räkeln und sich, anders als ihre Artgenossen auf dem staubigen Boden, paschamässig hingegossen die Sonne auf den Pelz brennen lassen. Die Lodge Chem Chem (auf Suaheli «Quelle») und ihr Umland bieten den Gästen, stets umsorgt von Fabia, Nicolas und deren Team, unvergessliche Eindrücke der tansanischen Wildnis. Hautnah. Authentisch. Spannendes und Entspannendes, wie ein Bad in dem lodgeeigenen Pool aus Vulkangestein, einer Massage unter freiem Himmel oder einem Abendessen unter einem mit Lampions geschmückten Baum.

Die Safaris, die in Chem Chem angeboten werden, sind überwiegend Slow Safaris. Fabia und Nicolas haben diesen Begriff aus der Kulinarik entlehnt, der Slow-Food-Bewegung. Slow Safari bedeutet Entschleunigung, aber nur in Bezug auf die Fortbewegung, nicht auf die Intensität der Erlebnisse. Die Buschmänner und Eingeborenen kamen schliesslich auch ohne Geländewagen aus. Dennoch sind Fabia und Nicolas bemüht, alle Wünsche der Gäste zu erfüllen. Neben Fährtensuche, Wanderungen und Reitausflügen können auch jede Art von Extras gebucht werden. Wobei das lautlose Gleiten über die unendlich weit erscheinende Savanne im Heissluftballon sicher zu den eindrucksvollsten Erlebnissen zählen dürfte. Worüber Fabia immer wieder nachdenkt, ist die Zeit. In Ostafrika haben die Menschen sie noch. «Die Minute hat hier noch 60 Sekunden.» Ein Afrikaner hat mal gesagt: «Ihr Europäer habt die Uhren, wir Afrikaner die Zeit.» Trägt sie noch Uhr? «Ich liebe Uhren als wertvolle Schmuckstücke. Aber hier ... wozu? Und ausserdem ist es viel zu heiss!»

Afrika jetzt und irgendwann doch wieder die Schweiz? Darauf antwortet Fabia Bausch mit Bedacht, optiert im Prinzip für ein Sowohl als auch, nicht für ein Entweder oder: «Ich bin immer offen für neue Horizonte!» Fehlen ihr die Bilanzen, Geschäftsberichte und Ratings? Ein klares Nein folgt auf diese Frage. Erstens stammt sie aus einem Elternhaus, das Bücherwände hat. Sie weiss also, dass man auch anderen Lesestoff geniessen kann. Aber diese Art von Fachliteratur hat sie nicht weggeschmissen oder ignoriert. Sie hat sie einfach zur Seite gelegt, kann sie durchaus auswerten, was auch in Chem Chem nicht unbedingt von Nachteil sein muss. Und ein wenig amüsiert fügt sie hinzu: «Aber die ‹Financial Times› lese ich schon noch gerne; ab und zu wenigstens!»